Lernen und Empfehlungen – Teil 5 der Blog-Reihe „MobiPool“

Der Mobilitätsfonds Wien hat eine Vielzahl an Mobilitätsmaßnahmen im Sonnwendviertel Ost gefördert. Doch wie kann dieser wertvolle Pool für Viele zugänglich und nachhaltig nutzbar gemacht werden? Dieser Frage sind wir im Rahmen des MobiPool-Workshop im Februar 2022 auf den Grund gegangen: Wir haben wertvolle Erfahrungen und Wissen über das Teilen von Mobilitätsressourcen im Sonnwendviertel ausgetauscht, gemeinsam mit Expert:innen über Haftung und Versicherung, Zutritt und Softwarelösungen diskutiert sowie Inspirationen von erfolgreichen Projekten geteilt.

Zum Abschluss des MobiPool Projektes wurde von realitylab ein Leitfaden mit Handlungsempfehlungen für MobilitätsSharing im Sonnwendviertel Ost erstellt, um zukünftige Mobilitätsgemeinschaften dabei zu unterstützen, sich zu organisieren und so eine nachhaltige Mobilität für Viele möglich zu machen. Wir wollen in dieser Blog-Reihe die Inhalte des Leitfadens vorstellen. In Teil 5 teilen wir unsere Learnings und geben Handlungsempfehlungen. Am Ende des Beitrags kann der Leitfaden als PDF-Datei heruntergeladen werden.

Die Idee des Projekts Mobipool besteht darin, die geteilten Fahrzeuge im Sonnwendviertel einem größeren Benutzerkreis zuzuführen. Viele Projekte teilen ihre Fahrzeuge in einem erweiterten Nutzer:innenkreis. Wir wollen nun herausfinden, welche Strukturen geeignet wären, um das Teilen zwischen diesen schon bestehenden Pools zu intensivieren.

Unsere ursprüngliche Idee bestand darin, einen Verein oder eine Genossenschaft aufzubauen, in der bereits geförderte Fahrzeuge eingebracht werden und von allen Vereinsmitgliedern / Genossenschafter:innen genutzt werden können. Da bereits viele Häuser ihre geförderten Fahrzeuge innerhalb der Hausgemeinschaft gepoolt haben, könnte man so ein übergeordnetes Pooling auch als Pool der Pools, bezeichnen. Wir haben die Erfahrung machen müssen, dass diese Idee nicht aufgegriffen wurde aus den folgenden Gründen:

  • Es wird schon viel geteilt – innerhalb der Projekte und damit sind viele Fahrzeuge auch schon recht ausgelastet. D.h. es gibt kaum mehr Kapazitäten für das Teilen nach außen
  • Das Teilen innerhalb einer Wohnhausanlage oder eines gemeinschaftlichen Wohnprojekts löst die kniffeligen Fragen sehr einfach. Alle Herausforderungen lassen sich im Haus mit bedeutend weniger Aufwand lösen – nicht zuletzt, weil es in einigen Fällen auch schon einen Verein gibt, der hilfreiche Strukturen aufweist und wichtige organisatorische Arbeiten übernehmen kann. 
  • Es gibt so gut wie keine Energie dafür, noch eine zusätzliche Struktur (in Gestalt eines Vereins / einer Genossenschaft) aufzubauen, weil bei vielen gemeinschaftlichen Wohnprojekten die Belastungsgrenzen und der „Bedarf“ an ehrenamtlicher Tätigkeit erreicht ist. 

Um ein besseres Verständnis davon zu erhalten, wie das Teilen von Mobilität im Sonnwendviertel in der Praxis gelingt, haben wir die vom Mobilitätsfonds geförderten Projekten im Sonnwendviertel per Onlinefragebogen befragt. Immerhin 11 davon haben den Fragebogen ausgefüllt. Wir stellen die Ergebnisse im Folgenden vor und leiten im Anschluss daran Handlungsempfehlungen ab.

Ergebnisse der Onlinebefragung von bereits geförderten Projekten

Welche Fahrzeugtypen werden bei euch geteilt: (Anzahl der Nennungen in Klammer)

Hauptsächlich sind es Lastenräder (7) die geteilt werden, gefolgt von Fahrrädern, Radhängern (jeweils 4), E-Cars (3), Handwägen (2) und ein Scooter (1). Auch Lernmaterial wird geteilt.

Wie findet das Teilen von Mobilitätsressourcen in eurer Organisation statt?

Am meisten werden die Mobilitätsressourcen der Projekte hausintern geteilt (6) gefolgt von Projekten, die ihre Mobilität auch extern teilen (4). Nur zwei Projekte geben an, dass in Zukunft noch mehr geteilt werden soll.

Wie hat sich das Teilen bewährt / nicht bewährt?

Im Allgemeinen hat es sich sehr gut bewährt. Es gab auch eine längere Antwort:

„Das Teilen von Ressourcen ist eines unserer Vereinsziele und wird tatsächlich gelebt und mit der Anschaffung eines zweiten Lastenrads gefördert mit Mitteln des Mobilitätsfonds und in naher Zukunft einem ePKW, eBike und eRoller noch massiv ausgebaut. Ich denke mit der Kombination Lastenräder und ePKW können noch mehr Bewohner:innen bei uns im Haus auf einen eigenen PKW verzichten oder zumindest viele Fahrten auf CO2-schonende Weise erfolgen.“

Was ist euer „Betriebsmodell“? Wie teilt ihr eure Fahrzeuge?

Unter den Antworten finden sich auch zwei Projekte, die das Verleihen von Fahrzeugen gewerbsmäßig betreiben: ShareNow und MoPoint. Die anderen sind als Vereine organisiert, die entweder intern oder extern Teilen. Eine Mobilitätsgenossenschaft gibt es im Sonnewendviertel nicht. Mehr zu den verschiedenen Betriebsmodellen erfährst du in Teil 3 unserer Blog-Reihe.

Wie erfolgt die Buchung eurer Mobilitätsressource(n)?

Bei fast allen Projekten erfolgt die Buchung über einen Online-Kalender. Die meisten verwenden hier eine kostenlose Lösung wie z.B. einen Google Kalender. Zwei Projekte nutzen zusätzlich noch das grätzlrad.wien. ShareNow und MoPoint bieten als professionelle Anbieter eine eigene App an. Nur in einem Projekt erfolgt die Buchung telefonisch, hier wird aber auch nur hausintern geteilt. Mehr zu Plattformen, Apps und Werkzeugen für geteilte Mobilität erfährst du in Teil 4 der Blog-Reihe.

Wie erlangt der/die Nutzer:in Zugriff auf die Mobilitätsressource?

Hier ist die persönliche Übergabe des Fahrzeugs oder die Aushändigung des Schlüssels die häufigste Nennung. ShareNow und MoPoint bieten als professionelle Anbieter eine elektronisches Schließsystem an.

Wo steht die Mobilitätsressource? Wie ist sie zugänglich?

Die überwiegende Mehrheit der Lastenräder und anderen Räder, Anhänger, Scooter befinden sich in einem versperrten Raum. Nur ein Lastenrad ist direkt von der Straße/ Promenade zugänglich. Die Fahrzeuge von ShareNow und MoPoint sind leicht öffentlich erreichbar.

Wie ist die Abrechnung gestaltet?

Die meisten Projekte verleihen ihre Fahrzeuge kostenlos. Natürlich heben die professionellen Carsharing-Unternehmen Gebühren ein. Interessant ist, dass auch bei zwei Lastenrädern, die hausintern geteilt werden, periodische Zahlungen anfallen – vermutlich für die Wartung.

Wer führt die Verrechnung und eventuelle Dokumentationen durch?

Mit Ausnahme der professionellen Carsharing-Unternehmen erfolgt die Verrechnung bzw. Dokumentation ehrenamtlich oder durch eine Arbeitsgruppe.

Wie ist die Instandhaltung organisiert?

Kleinere Wartungsarbeiten werden gerne selbst erledigt. Für größere Services und Reparaturen bietet sich die Lenkerbande an oder wird in einer anderen Profi-Werkstatt erledigt.

Welche Versicherungen wurden abgeschlossen?

Diebstahlsversicherungen und Haftpflichtversicherungen überwiegen bei den Befragten. Allerdings scheinen nicht alle Projekte versichert zu sein.

Wie werden potentielle Nutzer:innen über die verfügbare Mobilitätsressource informiert?

Es gab folgende Nennungen: Infos im Haus, Aushang, Postwurf, Flyer und Plakate, Social Media, in der Hausgruppe kommuniziert, Grätzlrad Wien, Präsenz im Grätzl, hausinterne Kommunikation (WhatsApp-, Slack-, Signal-Gruppen), Über das Plenum. Außerdem wird die Mobilitätsangebote bei einigen über eine Website/ Buchungsoberfläche, durch Branding am Standort und Social Media und Grätzlfesten sichtbar gemacht.

Schätzung: Wie hoch ist die Gesamtauslastung  der geförderten Mobilitätsressource? Wieviel Prozent der Tageszeit wird das Fahrzeug genutzt/ gebucht. Verträgt das Fahrzeug noch mehr Nutzer:innen?

Die Auslastung schwankt zwischen 10 bis 30 %. Bei fast allen Projekten gibt es noch Luft nach oben, was dann allerdings zur Folge haben könnte, dass man/frau nicht immer ein Fahrzeug bekommt, wenn man eines braucht, was bisher überwiegend der Fall sein dürfte.

Was meinst Du: In welchem Rahmen macht Teilen am meisten Sinn?

Wenig überraschend finden Projekte, die ihr Fahrzeug nur hausintern teilen, dass diese Form des Teilens am meisten Sinn macht. Bei allen anderen Projekten herrscht aber die Meinung vor, dass es am meisten Sinn macht, dass eine Ressource die im Haus oder im Projekt geteilt wird auch den Nachbar:innen zur Verfügung stehen sollte.

Allgemeine Beobachtungen und Schlussfolgerungen

Durch unsere kleine Befragung, die wir durch viele persönliche Gespräche ergänzt haben zeigt sich folgendes Bild:

Es fanden sich zwar kaum Personen, die sich für einen quartiersübergreifenden Pool an geförderten Fahrzeugen engagieren würden, dennoch wird das Teilen von Mobilität im Sonnwendviertel groß geschrieben und auch praktiziert. Der Fokus liegt allerdings beim Teilen im eigenen Haus. Im Haus bieten sich folgende Vorteile:

  • Man kennt einander und es gibt laufend persönlichen Kontakt und ein Vertrauensverhältnis.
  • Alle haben die notwendigen Schlüssel, um zum Fahrzeug zu kommen, das meistens in einem versperrten Raum abgestellt ist.
  • Der gemeinsame Besitz erleichtert die Verwaltung immens: Die Nutzung ist kostenlos, daher braucht es auch keine Abrechnung.
  • Anfallende Arbeiten können von bestehenden hausinternen Arbeitsgruppen übernommen werden.
  • Es gibt bestehende Kommunikationskanäle über die Mobilitätsangebote und aktuelle Informationen verbreitet werden.
  • Die Auslastungsrate kann leicht reguliert werden. Im Schnitt scheinen geteilte Lastenräder zu 30 % ausgelastet zu sein. Bei dieser Auslastung ist die Buchung auch spontan noch leicht möglich. Wenn der Bedarf steigt und man merkt, dass es manchmal kein freies Rad mehr gibt, dann kann ein zusätzliches Fahrzeug angeschafft werden.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die bestehenden Organisationsstrukturen in den Häusern, die Umsetzung von geteilten Mobilitätsformen wesentlich erleichtert. Das Teilen über die Hausgrenzen hinweg wird v.a. erschwert durch versperrte Räume, in denen die Fahrräder stehen. Dadurch wird eine persönliche Übergabe der Fahrzeuge notwendig, was zeitintensiv ist und unbezahlte Arbeit auslöst. Es ist überdies eine Frage des Vertrauens, wem man das eigene Fahrzeug anvertraut.

Trotzdem wird im Sonnwendviertel auch hausübergreifend geteilt und Mobilität immer mehr auch als Aufgabe für das gesamte Quartier verstanden – was auch in der Gründung des Mobilitätskreis im Sonnwendviertel seinen Ausdruck gefunden hat. Je besser sich die Bewohner:innen kennen umso wahrscheinlicher wird geteilte Mobilität. Dies zeigt sich beispielsweise in der gemeinsamen Anschaffung eines E-Autos von Gleis 21 und dem Grünen Markt. Wir haben die bereits geförderten Projekte auch gefragt, was ihrer Meinung nach das Teilen im Sonnwendviertel vorangebracht hat und haben hierzu folgende Antworten bekommen:

  • Vorhandene Angebote besser sichtbar machen.
  • Tools/ Software zum Buchen (Öffnen und Schließen) kostenlos zur Verfügung stellen.

Die Hälfte der Befragten wünscht sich auch mehr Infos wie das Teilen von Mobilität gelingen kann. Zumindest dafür hoffen wir mit dieser Befragung und dieser Beitragsserie einen Beitrag geleistet zu haben. Abschließend möchten wir aus unserer Arbeit im Sonnwendviertel und dem Projekt „MobiPool“ ein paar Handlungsempfehlungen ableiten, die sich vor allem bei kleineren Bottom-Up Projekten im Haus, in der Nachbarschaft, Dörfern und kleinen Gemeinden anbieten. 

Handlungsempfehlungen

Keep it simple!

Generell gilt: Je kleiner eine Gruppe ist, je besser sich die Mitglieder kennen und je mehr gegenseitiges Vertrauen gegeben ist umso einfacher und niederschwelliger können die Antworten auf diese Fragen aussehen. Deshalb raten wir dazu mit dem Teilen im kleineren Rahmen zu beginnen und den Nutzerkreis fürs Erste klein zu halten. Die laufenden Kosten können auch kleiner gehalten werden, wenn das System nicht zu komplex ausfällt.  

Nähe ist ein kritischer Faktor

Wir haben die Beobachtung gemacht, dass jemand der sich ein Fahrzeug ausborgen möchte, nicht weit gehen mag. Wer ein Lastenrad haben möchte, möchte es am liebsten im Haus ausborgen. Fürs Auto ist ein etwas weiterer Weg zumutbar.

Behalte die Kosten im Blick 

Kosten setzen sich zusammen aus Anschaffungskosten und laufenden Kosten, von denen die Betriebskosten oft den größten Teil ausmachen. Betriebskosten setzen sich zusammen aus den Kosten für: 

  • Wartung, Reparaturen, 
  • Reinigung, 
  • und Versicherungen. 

Dazu kommen bei komplexeren Systemen auch Kosten für das Management also für das Buchungssystem, Öffnen/Schließen und die Abrechnungen. 

Wir empfehlen einen professionellen Ansatz bei der Berechnung, siehe die KlimaEntLaster – Die Transportrad-Initiative.

Lasst euch beraten und fördern

Informiert euch!

Wir hoffen dir hat der Abschluss-Teil unserer MobiPool-Reihe gefallen. Wenn du deine Erfahrungen mit uns Teilen möchtest, kannst du das gerne unter mobipool@realitylab.at oder mittels Kommentar (weiter unten) tun. Wir werden die Beiträge immer aktuell halten und sie ergänzen. Bringe auch deine Erfahrungen mit ein!

Das Projekt MobiPool wurde aus den Mitteln des Mobilitätsfonds Wien gefördert.

Den gesamten Leitfaden kannst du dir hier herunterladen.

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