Der Mobilitätsfonds Wien hat eine Vielzahl an Mobilitätsmaßnahmen im Sonnwendviertel Ost gefördert. Viele der geförderten Fahrzeuge werden bereits geteilt. Im Rahmen des MobiPool Workshops am 23.02.2022 wurden die Erfahrungen beim Teilen geteilt, Herausforderungen diskutiert und Lösungen in Form von Good-Practice vorgestellt. Der gesamte Event, kann (am Ende dieses Beitrages) als Video nachgeschaut werden.
Die Idee vom MobiPool
Verschiedenste Modelle des Teilens rund um Mobilitätsressourcen sind von Gernot Tscherteu, Geschäftsführer bei realitylab, analysiert worden.
- Eine Gemeinschaft begründet eine Organisation, die sich Mobilitätsressourcen anschafft. Diese sind exklusiv für Mitglieder verfügbar und wird von diesen erhalten – Konsument:innen werden zu Produzent:innen ihrer Mobilität (z.B.: elfride.eu).
- Eine Gemeinschaft kauft und pflegt die Fahrzeuge (wie zuvor beschrieben), lässt diese jedoch auch extern nutzen. Dies erhöht eventuell die Herausforderungen (Zutritt, Reparaturen etc.), ermöglicht aber auch höhere Förderquoten und leichtere Finanzierung (z.B.: Lastenradverleih durch gleis21, bikes’n’rails oder Grüner Markt).
- Der Fahrzeugpool wird von einem darauf spezialisierten Unternehmen bereitgestellt (z.B. MoPoint, ShareToo etc.) Ein Modell, dass auf die bequeme Nutzung durch Konsument:innen ausgerichtet ist.
- Eine genossenschaftliche Lösung stellt ein hybrides Modell – also eine Mischung aus 2 und 3 – dar. Dabei wird der Fahrzeugpool durch eine Genossenschaft angeschafft und betrieben. Die Nutzer:innen investieren in die Genossenschaft und nutzen die Fahrzeuge. Die Genossenschaft stellt Fahrzeuge bereit und die notwendige Infrastruktur (Buchung, Öffnen / Schließen) zur Verfügung (z.B. FamilyOfPower).
Wenn nun Nutzer:innen der verschiedensten Mobilitätsgemeinschaften, wie sie hier beschrieben sind, jeweils auch auf Mobilitätsressourcen (z.B. Fahrzeuge) anderer Mobilitätsgemeinschaften zurückgreifen könnten, entsteht ein Mobilitätspool – ein MobiPool.
5 Herausforderungen eines Mobilitätspools
Es gibt fünf Kernthemen, die beim Teilen von Mobilitätsressourcen berücksichtigt werden müssen, damit Nuter:innen auf einen Fahrzeugpool zugreifen können:
Wie sich eine Ressourcengemeinschaft diesen Themen widmet ist sehr unterschiedlich und birgt dementsprechend vielfältige Herausforderungen und Risiken.
Gernot Tscherteu, realitylab
Für das Sonnwendviertel Ost ist von der Mobilitätsagentur der Stadt Wien noch eine virtuelle Karte mit allen bereits geförderten Mobilitätsangeboten des Mobilitätsfonds der Stadt Wien zu erwarten. Dies soll die Möglichkeit und Idee eines MobiPools im jungen Stadtquartier Sonnwendviertel Ost unterstützen und fördern.
Nach dieser Einführung haben weitere Expert:innen ihre Erfahrungen und Best-Practice Beispiele mitgebracht:
Johanna Leutgöb – Initiative Gemeinsam Bauen & Wohnen
Es werden im Rahmen des Forschungsprojektes „Shared Mobility in (gemeinschaftlichen) Wohnprojekten“ gemeinschaftliche Wohnprojekte in Österreich hinsichtlich des Teilens von Mobilitätsressourcen untersucht.
Johanna Leutgöb fasst CarSharing-Angebote in Wohnprojekten in zwei Gruppen zusammen:
- Formales CarSharing: zu gleichen Bedingungen von allen Bewohner:innen nutzbar
(z.B. Nachbarschaftsverein kauft Fahrzeug, Mobilitätsdienstleister im Quartier vorhanden) - Informelles (privates) CarSharing: zu gleichen Bedingungen von allen nutzbar, denen ein Zugriff darauf gewährt wird.
Mit engen Kontakt und persönlichem regelmäßigen Austausch, wächst das Vertrauen darin, seine privaten Mobilitätsressourcen durch einfache mündliche Vereinbarung zu überlassen. Dies ist daher mit Abstand das beliebteste „Tarif Modell“ unter gemeinschaftlichen Wohnprojekten: Wohne ich in einem Umfeld, in dem mir meine Nachbar:innen gut bekannt sind, fällt es mir leichter mein Fahrzeug durch eine einfache mündliche Vereinbarung zu überlassen.
Shared mobility ist in gemeinschaftlichen Wohnprojekten nicht auf Autos reduzierbar.
Der wichtigste Erfolgsfaktor für „Shared Mobility“ ist, dass bereits bei der Konzeption die zukünftigen Nutzer:innen mitgestalten dürfen. Eine mögliche Lösung für die Herausforderung des gleichzeitigen Interesses an einem Fahrzeug am Wochenende, nicht aber unter der Woche, wäre eine Mischung von formellen und informellen CarSharing Angeboten zu schaffen.
Martin Hoffer – Leiter der Rechtsabteilung, ÖAMTC Wien
Mit dem Hinweis darauf, dass Menschen je nach Bezug zu einem ausgeliehenen Fahrzeug, unterschiedlich sorgsam damit umgehen, verweist er auf Möglichkeiten sich zu versichern. Die meisten Versicherungen inkludieren die Möglichkeit, dass das Fahrzeug nicht nur von der Fahrzeuglenker:in, sondern auch von anderen Personen gelenkt werden darf. Den:Die Fahrzeughalter:in trifft aber eine besondere Sorgfaltspflicht, das Fahrzeug nur Personen zu überlassen, die einen Führerschein haben und auch sonst vertrauenswürdig sind.
Wenn Sharing geplant ist, empfiehlt es sich individuelle Vereinbarungen mit der Versicherung zu treffen.
Für Fahrzeuge, die nicht der Definition eines Kraftfahrzeuges unterliegen (z.B. E-Bikes, Lastenräder, E-Scooter…) besteht keine Pflicht zur Versicherung. Für Personen und Sachschäden ist der:die Fahrer:in aber trotzdem haftbar. In vielen Haushaltsversicherungen sind solche Schadensfälle abgedeckt – es lohnt sich genau nachzuschauen oder sonst eine spezielle Privathaftpflichtversicherung abzuschließen.
Wird eine Rechnung für den Verleih ausgestellt, entsteht eine gewerbliche Vermietung und damit gelten zusätzliche Versicherungspflichten – auch für Vereine. Martin Hoffer empfiehlt sich hier bei der WKO zu informieren. Wird innerhalb eines Vereins oder auch informell ein Kfz verliehen, bin ich als Fahrzeugeigentümer:in /-verantwortliche:r dennoch verpflichtet sicherzustellen, dass eine Lenker:in auch tatsächlich einen Führerschein hat.
Manuel Hanke – Bikes’n’Rails
Im Wohnprojekt Bikes’n’Rails wohnen aktuell nur Menschen, die kein Auto besitzen – dennoch ist man sehr mobil UND engagiert für nachhaltige Mobilität im Grätzl. Hilfreich ist hier sicherlich die Lage des Projektes, ganz in der Nähe des Wiener Hauptbahnhofs. Darüber hinaus gibt es im Wohnprojekt eine Vielzahl von Lastenrädern sowie die notwendige Infrastruktur, um deren Akkus sicher aufzuladen. Ein Lastenrad ist jederzeit für alle Interessent:innen verfügbar und steht vor dem Gebäude. Hinterlässt man seine Informationen im Café Flöge des Wohnprojektes, kann man jederzeit damit losfahren – nicht nur als Bewohner:in, sondern auch als Mensch mit Neugierde oder dem Bedürfnis spontan seinen Einkauf mit dem Lastenrad zu erledigen. In persönlichem Kontakt mit Bewohner:innen von Bikes’n’Rails ist ein Ausborgen der weiteren Fahrräder ebenfalls möglich. Sie werden jedoch im Haus selbst sehr intensiv genutzt.
Mit der Distanz zwischen Wohnort und ausleihbarem Lastenrad, nimmt die Motivation ab, sich ein solches auszuborgen. So werden die Lastenräder hauptsächlich und vielfach von Bewohner:innen im Haus genutzt, sehr wenig von Nachbar:innen im Quartier. Schon 200 m zum Lastenrad, können eine hohe Hemmschwelle darstellen. Im Idealfall hat jedes Haus ein Lastenrad im Erdgeschoss stehen – dann wäre diese nachhaltige Form vermutlich weit mehr verbreitet, fasst Manuel Hanke seine Erfahrungen zusammen.
Gerd-Ingo Janitschek – Family of Power
In der Genossenschaft von Family of Power gibt es seit 7 Jahren die Möglichkeit E-Car-Sharing Angebote zu nutzen. Das Angebot richtet sich an Initiativen, Firmen, Organisationen oder Gemeinden und umfasst die Bereitstellung von Fahrzeugen, aber auch Werkzeugen, um den Fuhrpark zu managen. Mobilitätsgemeinschaften können alle Elemente aber auch nur einzelne Aspekte, z.B. die Software, in Anspruch nehmen.
Als Nutzer:in werde ich Mitglied in der Genossenschaft und kann damit zu ökosozialen, ko-finanzierten Tarifen, die individuell vereinbar sind, ausleihen. Über die Softwarelösung können auch andere Mobilitätsangebote gemanagt werden (z.B. Lastenräder, Fahrradanhänger uvm.). Dank der Genossenschaft mit vielen Mitgliedern, kann der Selbstbehalt im Schadensfall mit max. €590,- stark eingegrenzt werden.
Da mit den sehr freundlichen Ausleihtarifen ein Auto im Regelfall nicht ausfinanziert ist, wird immer auch auf Werbepartner:innen zurückgegriffen, die eine Finanzierung der nachhaltigen Mobilität unterstützen. Vor Ort gibt es eine:n „regionale Betreuer:in“, die für Wartungen, Reifenwechsel usw. zuständig ist – sie wird mit 100 Stunden Freifahrt als Dankeschön belohnt. Mit 8-10 Personen die das Auto regelmäßig nutzen, ist eine Basis da, die das Fahrzeug finanziert.
Nächste Schritte
Um Lernerfahrungen aus dem Sonnwendviertel Ost auch für andere Regionen verfügbar zu machen und damit die Entstehung von MobiPools zu fördern, wird von realitylab ein Leitfaden erstellt. Dafür bitten wir um eure Hilfe:
Mit diesem Fragebogen wollen wir das Teilen von Mobilitätsressourcen v.a. im Sonnwendviertel voranbringen und damit eine wichtigen Beitrag leisten um Ressourcen zu sparen. Bitte macht mit! Das Ausfüllen der Umfrage dauert ungefähr 5 Minuten.
Video zum Naschauen
Das Projekt MobiPool wurde aus den Mitteln des Mobilitätsfonds Wien gefördert.