Herausforderungen beim Teilen – Teil 2 der Blog-Reihe „MobiPool“

Wir haben wertvolle Erfahrungen und Wissen über das Teilen von Mobilitätsressourcen im Sonnwendviertel ausgetauscht, gemeinsam mit Expert:innen haben wir über Haftung und Versicherung, Zutritt und Softwarelösungen sowie Inspirationen von erfolgreichen Projekten diskutiert. Hier erfährst Du mehr über die genauen Inhalte des MobiPool-Workshops.

Zum Abschluss des MobiPool-Projektes wird von realitylab ein Leitfaden mit Handlungsempfehlungen für MobilitätsSharing im Sonnwendviertel Ost erstellt, um zukünftige Mobilitätsgemeinschaften dabei zu unterstützen, sich zu organisieren und so eine nachhaltige Mobilität für Viele möglich zu machen. Wir wollen in dieser Blog-Reihe die Inhalte des Leitfadens vorstellen. In diesem zweiten Teil geht es um die Herausforderungen des Teilens von Mobilität. Viel Spaß beim Lesen!

Jedes Projekt, in dem Ressourcen gemeinschaftlich verwaltet und geteilt werden, muss Antworten auf folgende Fragen finden: 

  1. Kommunikation und Sichtbarkeit: Wie erfahren andere vom Angebot?
  2. Buchen und Reservieren: Wie können Nutzer:innen die Ressource für den eigenen Gebrauch reservieren?
  3. Zugang / Öffnen / Schließen: Wie bekommen Nutzer:innen Zugang zur Ressource?
  4. Verrechnen / Logging: Wie wird der Gebrauch protokolliert und auch verrechnet?
  5. Pflegen und Warten: Wie wird die Ressource gepflegt und gewartet?
  6. Einschulung und Dokumentation: Wie erfolgt die Einschulung für den Gebrauch?
  7. Versicherung und Haftungsfragen: Wer haftet bei Schäden an der Ressource oder bei Unfällen? 
  8. Ein schriftliches Regelwerk: Was geht und was nicht? FAQs und Nutzungsbedingungen

Sicher gibt es noch weitere wichtige Fragen, aber wenn du dir die vorangegangenen Fragen durchdenkst, dann bist du einer Lösung schon wesentlich nähergekommen. Im Folgenden diskutieren wir diese Fragen am Beispiel Mobilität. Aber auch beim Teilen von Räumen, bei Foodcoops oder bei Energiegemeinschaften tauchen diese auf und dieser Beitrag könnte hilfreich für dich sein.

Kommunikation und Sichtbarkeit

Wie erfahren andere vom Angebot?

Dass alle in eurem Haus und erst recht in der Nachbarschaft von eurem neuen, geteilten Mobilitätsangebot erfahren, braucht es eine geeignete Kommunikation. Im Haus habt ihr möglicherweise schon:

  • Newsletter
  • Haustreffen
  • Social-Media-Kanäle/ Gruppen

Aber wie erreicht ihr die Nachbar:innen in den anderen Häusern?

  • Im Sonnwendviertel können wir hier einiges anbieten:
  • Ansonsten gibt es auch eine Reihe von Plattformen die generell darauf spezialisiert sind, Mobilität z.B. Lastenräder zu teilen:
  • Eine ganz einfache Form der Sichtbarkeit ist schließlich, dass ihr eine Tafel oder einen anderen sichtbaren Hinweis im öffentlichen Raum hinstellt. Eine sehr effiziente Lösung im Sonnwendviertel hat die Lenkerbande gefunden: Das Fahrzeug selbst steht sichtbar im öffentlichen Raum und weist auf seine Benutzbarkeit hin!

Buchen und Reservieren

Wie können Nutzer:innen die Ressource (z.B. ein Lastend oder ein E-Car) für den eigenen Gebrauch reservieren? 

Wenn ein Fahrzeug geteilt wird, dann können „nicht alle auf einmal“ das Angebot nutzen. Das würde keinen Sinn machen. Um dieses Problem zu lösen, gibt es folgende Lösungsansätze: 

  • persönliche Kontaktaufnahme mit einer Person, die dann die Buchung in einen Kalender einträgt und den Überblick behalten muss. Dies ist allerdings aufwändig für diese Person.
  • Reservierung per Eintrag in einem digitalen Kalender: Ein einfacher Google oder TeamUp Kalender tut es auch – setzt aber voraus das ihr euch untereinander kennt und es schon Nutzungsregeln gibt. Da die Verfügbarkeit jederzeit eingesehen werden kann, sind auch spontane Nutzungen möglich. 
  • Buchung über eine Plattform wie www.graetzlrad.wien, das-lastenrad.atevemo.de. Solche Plattformen können oft mehr als nur reservieren, weshalb sie später in Teil 4 noch eingehender behandelt werden. 
  • First Come, First Served. Die einfachste Lösung ist vermutlich die von der Lenkerbande: Das Lastenrad steht einfach vor der Tür der Lenkerbande und man/frau geht in die Werkstatt und fragt an, ob das Rad frei ist. Einfache Benutzung auf freiwilliger Spendenbasis!

Zugang / Öffnen / Schließen

Wie bekommen Nutzer:innen Zugang zur Ressource?  

Das ist die vielleicht schwierigste Frage von allen, denn selbst wenn sich eine Gemeinschaft oder eine Privatperson entscheidet eine Ressource teilen zu wollen, dann können noch etliche Türen und Schlösser den Weg zum reservierten Fahrzeug versperren. Das Fahrzeug im Freien abzustellen kann auch einige Nachteile mit sich bringen, weil es einem Risiko von Diebstahl, Beschädigung, Verschmutzung und Verwitterung ausgesetzt ist, was sich mit Sicherheit auch bei der Versicherungsprämie niederschlagen wird.

Jedes Mal persönlich zu erscheinen, wenn ein Fahrzeug verborgt werden soll, ist ebenfalls sehr mühsam. Die folgenden Lösungen haben sich bewährt:

  • easy à la Lenkerbande: Man/frau holt sich den Schlüssel einfach in der Werkstatt. Gut, dass die Lenkerbande oft da ist! 
  • Teilen im Haus: Dies ist besonders beliebt bei den Baugruppen. Alle haben einen Schlüssel zum Raum, wo das Fahrzeug steht, z.B. zum Fahrradraum, wo das Fahrzeug aber auch der Schlüssel zum Öffnen und Schließen des Fahrzeugs hinterlegt ist.  
  • Schlüsselübergabe à la Elfride: Der Schlüssel befindet sich in einem kleinen Schlüsselsafe, der direkt am Dach des Autos befestigt ist und über einen Nummerncode geöffnet werden kann. 
  • Öffnen und Schließen per App: Beim Fahrzeug befindet sich ein elektronisches Schloss, das über eine App bedient werden kann. In manchen Fällen geht das nur, wenn das Fahrzeug einen Internetzugang hat – z.B. über 4G Mobilfunk. Manchmal geht das aber auch offline. Eine solche Lösung finden wir bei ShareNow und wird im Sonnwendviertel bei MoPoint, ShareToo und zukünftig auch beim Grünen Markt (Family of Power) eingesetzt. Praktisch ist bei dieser Methode, dass das Öffnen und Schließen nur Personen aktivieren können, welche die Ressource zuerst reserviert haben. Für die Übergabe des „Schlüssels“ bzw. eines Codes ist ein persönliches Treffen nicht notwendig, sondern das geht auch aus der Ferne übers Internet.  

Der Einsatz von digitalen Werkzeugen – auch von Schließsystemen wird immer günstiger und einfacher, deshalb sollte er in Betracht gezogen werden. Für den Zugang zu Räumen haben sich Nuki Systeme bewährt. Für das Aufsperren von (Lasten-)Rädern per Handy (via Bluetooth) gibt es übrigens ein passendes Fahrradschloss von Abus. Bitte achtet auch darauf, dass Akkus (z.B. von Lastenrädern) wegen der Brandschutzvorrichtungen sachgerecht gelagert werden müssen. Weitere Empfehlungen findet ihr auch im Leitfaden der Stadt Wien und dem Projektbericht vom Klima- und Energiefonds zu Mobilitätsmaßnahmen im Wohnbau.

Verrechnen / Logging

Wie wird der Gebrauch protokolliert und verrechnet? 

Ein wesentlicher Vorteil beim Öffnen und Schließen per App ist, dass auf diese Weise auch klar nachverfolgt werden kann, wer das Fahrzeug zu welcher Zeit benutzt hat. Das kann bei der Nachverfolgung von Schäden, sehr hilfreich sein. Wenn man/frau sich kennt, ist das wahrscheinlich überflüssig. 

Komplizierter wird es auch, wenn für die Nutzung Geld verlangt wird. Hier kann es aber auch einfache Lösungen geben: 

  • es wird ein Pauschalbetrag verlangt, der regelmäßig, z.B. einmal im Jahr eingehoben wird
  • eine freiwillige Spende wird erhoben
  • es liegt eine einfache Liste auf, wo sich die Nutzer:innen eintragen und innerhalb von regelmäßigen Intervallen kommt eine Rechnung (oder jemand kassiert persönlich ein).

Solche niederschwelligen Lösungen funktionieren dann gut, wenn man/frau sich gut kennt und der Nutzer:innenkreis überschaubar ist. 

Schließlich ist auch zu bedenken, dass Abrechnungssysteme etwas kosten und z.B. bei Kreditkartenzahlungen Gebühren bzw. Provisionen einbehalten werden. Die Kosten für die Abrechnung sollten also in einem vernünftigen Verhältnis zum abgerechneten Betrag stehen. In der Regel macht das eher nur bei Autos Sinn. Stripe ist ein Beispiel für diese Art der Abrechnung.

Pflegen und Warten

Wie wird die Ressource gepflegt und gewartet? 

Sharing is caring! Dieser Spruch hat für uns auch die Bedeutung, dass es Zuständige braucht, die sich um eine geteilte Ressource kümmern, sonst wird das Fahrzeug über kurz oder lang nicht mehr gebrauchsbereit sein. Typische Pflegedienste sind: 

  • Luftdruck überprüfen und nachfüllen 
  • Akkus laden bzw. Treibstoff tanken 
  • Innen und außen reinigen 
  • technische Überprüfungen veranlassen 
  • Parkberechtigungen besorgen und erneuern 
  • Schäden reparieren  
  • Verschleißteile ersetzen  

Auch bei einfachen Fahrrädern, aber erst recht bei Lastenrädern und Autos kann das ganz schön viel Zeit und Geld beanspruchen.  

Um die verwendete Zeit zu vergüten, gibt es bei manchen Sharingsystemen ein Zeitguthaben: Das Fahrzeug steht für eine bestimmte Anzahl von Stunden kostenfrei zur Verfügung, wenn man/frau sich regelmäßig um seine Pflege und Wartung kümmert. 

Einschulung und Dokumentation

Wie erfolgt die Einschulung für den Gebrauch? 

Lastenräder und Autos sind im Gebrauch nicht immer selbsterklärend. Es empfiehlt sich für die Nutzer:innengemeinschaft eine gemeinsame Einschulung oder regelmäßige Termine anzubieten. Solche Schulungen können auch in gemeinsame Treffen (AG-Treffen) oder Events eingefügt werden. Vorbildlich war hier die Lastenfahrradchallenge beim Mobilitätsfest im Sonnwendviertel.

Viele Mobilitätsanbieter:innen machen es zur Regel, dass das Fahrzeug erst dann ausgeborgt werden darf wenn eine Einschulung erfolgt ist. Die Einschulung kann z.B. folgende Punkte umfassen:

  • Wo steht das Fahrzeug und wie kann man darauf zugreifen (es buchen, Zugang bekommen, Öffnen und Schließen)
  • Wie checkt und protokolliert man/frau den Zustand vor Gebrauch?
  • Wie fährt man/frau damit?
  • Wie tankt man/frau es und ladet es mit Energie auf?
  • Wie soll es während dem Gebrauch abgestellt werden?
  • Wie hinterlässt man/frau das Fahrzeug nach Gebrauch?
  • Wie wird der Zustand nach Gebrauch überprüft und protokolliert?
  • Was tut man/frau bei Schäden?

Wenn ihr Autos verborgt, dann seid ihr übrigens auch verpflichtet euch davon zu überzeugen, dass die Nutzer:innen über eine Lenkerberechtigung verfügen. Wenn dies nicht der Fall ist, könnt ihr als Eigentümer:innen für Schäden bei Unfällen haftbar gemacht werden.

Jedes Fahrzeug verfügt über Gebrauchsanleitungen, Handbücher und andere Formen der Dokumentation. Sie sollten nahe beim oder besser noch im Fahrzeug aufbewahrt bzw. digital zur Verfügung gestellt werden (z.B. dort, wo das Fahrzeug gebucht werden kann). Die digitale Dokumentation allen zur Verfügung zu stellen, ist ein weiterer Grund dafür, digitale Werkzeuge beim Teilen von Mobilität zu verwenden.

Versicherung und Haftungsfragen

Wer haftet bei Schäden an der Ressource oder bei Unfällen? 

Diese und ähnliche Fragen lassen bei den Gemeinschaften oft Sorgenfalten entstehen und manche lassen sich davon so einschüchtern, dass sie den Nutzer:innenkreis klein halten oder das Teilen überhaupt abblasen. Aus unserer Sicht ist das übertrieben. Zweifelsohne müssen Haftungen infolge von Schäden gut reflektiert werden, aber diese Probleme lassen sich lösen. Der ÖAMTC und andere Verkehrsclubs können hier beraten (siehe z.B. den Vortrag von Heinrich Hoffer beim Mobilitätsworkshop) und schließlich sind Versicherungen darauf spezialisiert, Lösungen anzubieten. Dass es Carsharing und andere Mobiltitätsgemeinschaften gibt, hat sich bei den Versicherungsanbietern herumgesprochen und z.T. gibt es schon adäquate Lösungen. Tendenziell wird es leichter, wenn es eine Rechtsform wie einen Verein oder ein Unternehmen gibt, auf den das Fahrzeug angemeldet ist bzw. dem es gehört. Dann ist der Anwendungsfall ähnlich wie bei einem Firmenauto, wofür es seit eh und je Versicherungslösungen gibt.

Bei diesem Punkt – aber auch bei allen Herausforderungen, die hier aufgelistet wurden – können sich Ressourcengemeinschaften gut gegenseitig unterstützen; z.B. in dem sie sich über günstige und gute Versicherungsangebote austauschen. Schreibt also an mobipool@realitylab.at, wenn ihr gute Antworten auf die oben gestellten Fragen rund um die 7 Herausforderungen beim Teilen von Mobilität herausgefunden habt! Vielleicht kennt ihr eine tolle Buchungsplattorm, die kostenfrei und Open-Source ist? Oder ein günstiges und benutzerfreundliches Schließsystem? Wir werden auf Basis eurer Rückmeldungen diese Seiten laufend aktuell halten!

Ein schriftliches Regelwerk

Was geht und was nicht? FAQs und Nutzungsbedingungen

Wir empfehlen euch alle Regeln rund um das Teilen eurer (Mobilitäts-) Ressourcen schriftlich zusammenzufassen. Vorbild können die AGBs und Nutzungsbestimmungen von Carsharing-Vereinen sein (wie z.B. von seestadtMOBIL oder elfride). Regeln gibt es auch dort, wo informell und unter Freund:innen und Nachbar:innen getauscht wird. Es handelt sich um „stillschweigende Übereinkünfte“ und da kann es auch zu Missverständnissen kommen. Daher: Auch wenn ihr Fahrzeug nur im kleinen Kreis oder informell teilt, kann es Sinn machen, sich die Eckpunkte explizit auszumachen. Wenn ihr „professionelle“ Nutzungsbestimmungen durchgeht, dann geht ihr auch sicher, dass ihr nichts Wichtiges vergessen habt. Besonders wichtige Dinge könnt ihr als FAQs zusammenfassen. FAQs und Nutzungsbestimmungen sollten in der Nähe der Fahrzeuge aufbewahrt werden bzw. digital leicht zugreifbar sein.

Wir hoffen, dir hat der zweite Teil in unserer MobiPool-Reihe gefallen. Wenn du deine Erfahrungen mit uns Teilen möchtest, kannst du das gerne unter mobipool@realitylab.at oder mittels Kommentar (weiter unten) tun. In Teil 3 dieser Reihe stellen wir verschiedene Betriebsmodelle beim Teilen von Mobilität vor. Wir beschreiben typische Modelle und ziehen Beispiele aus dem Sonnwendviertel heran.

Das Projekt MobiPool wurde aus den Mitteln des Mobilitätsfonds Wien gefördert.

 

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