Kunst am Bau: The Great Vibration

Das Kunst am Bau Projekt „The Great Vibration“ von Moussa Kone wurde vor einem Jahr fertiggestellt. Aus diesem Anlass möchten wir auf die Entstehungs- und Erfolgsgeschichte des Projekts zurückblicken. 

„The Great Vibration“ ist die künstlerische Gestaltung des Hausdurchgangs in der Maria-Lassnig-Straße 38-40 im Sonnwendviertel, in 1100 Wien.  

Die Arbeit ist unter besonderen Rahmenbedingungen entstanden: Kunst am Bau ist im geförderten Wohnbau in den letzten Jahren sehr selten geworden. Eine Kooperation zwischen der EBG – als Eigentümer:in des Hauses – und von „KÖR“ (Kunst im öffentlichen Raum) hat gezeigt, wie es in Zukunft öfters gelingen könnte, Wohnbauten und den öffentlichen Raum künstlerisch zu bespielen. 

Der Wohnbau „Schöne Aussichten“ entstand im Rahmen eines Bauträgerwettbewerbs ausgelobt vom wohnfonds.wien im Jahre 2015. (Architektur: ASAP; Freiraumplanung: Carla Lo; Soziale Nachhaltigkeit: Wencke Hertzsch) Der nunmehr realisierte Wohnbau fällt durch seinen großen Eingangsbereich auf, der darauf zurückzuführen ist, dass Kanäle nicht überbaut werden dürfen, weil man sie in Notfällen aufgraben können müsste. Schon in der Wettbewerbsphase entstand die Idee, die großen Flächen im Durchgang künstlerisch auszugestalten. Im Rahmen des von realitylabs begleiteten Besiedelungsprozesses wurde dieser Gedanke wieder aufgegriffen. In Workshops mit den Bewohner:innen und spacelab (einer im Haus befindlichen Einrichtung für Jugendliche) konkretisierten sich Ideen für ein „Graffiti“ das ursprünglich von den Jugendlichen umgesetzt werden sollten. Diese erste Idee scheiterte rasch an Organisations- und Haftungsfragen und schließlich auch an der Corona- Pandemie. 

Das Team von realitylab (Projektleitung: Gudrun Peller) und die EBG (Projektleitung: Katharina Smole) beschlossen in dieser Situation den Gedanken trotz allem weiterzuverfolgen und involvierten KÖR, deren Geschäftsführerin Martina Taig dem Projekt sehr wohlwollend und unterstützend begegnete. Schließlich kam auch das Einverständnis vom künstlerischen Beirat von KÖR das Projekt zu fördern und kuratorisch zu begleiten. Von KÖR wurde ein geladener Wettbewerb organisiert. Um die Identifikation mit dem Projekt zu unterstützen, organisierte realitylab eine Grätzeltour, wo die geladenen Künstler Einblicke in die Grätzelkultur, in aktuelle Entwicklungen und Gebautes rund ums Sonnwendviertel Ost bekamen. Es kam auch zu einem gegenseitigen Kennenlernen und Austausch der Künstler:innen und Bewohner:innen sowie einigen lokalen Akteur:innen, wie WUK workspace (vormals spacelab).

Die KÖR-Jury (der auch die EBG angehörte) entschied sich im Herbst 2021 letztlich für das Projekt “The Great Vibration” von Moussa Kone, das im Mai 2022 umgesetzt wurde. 

Kurzbeschreibung des Projekts (Quelle KÖR) 

„…Der Künstler holt mit seiner Arbeit an die Oberfläche, was im Untergrund passiert. Im Zentrum steht der unter dem Durchgang fließende Abwasserkanal, dessen Entstehungsgeschichte auf, die im 19. Jahrhundert in Wien grassierende Cholera-Epidemie zurückgeht, … Die Erinnerung an die Historie wird so mit dem künftigen Zurückschauen auf die aktuelle Pandemie verknüpft. Zugleich ruft die Arbeit die immer gegenwärtige Bedeutung städtischer Infrastrukturen ins Bewusstsein, die nicht selten verborgen bleiben und doch so zuverlässig einen reibungslosen Alltag ermöglichen.“  

https://www.koer.or.at/projekte/the-great-vibration/

Künstlerportrait

Moussa Kone hat in Mindeststudienzeit Malerei studiert um gleich nach dem Studium die Malerei aufzugeben. Er tauschte die Ölfarben, den breiten Pinsel und den großen Gestus vor der Staffelei gegen die Tusche, die dünne Zeichenfeder und die feine Arbeit auf Papier ein und beschäftigt sich seitdem intensiv mit der Zeichnung. 

Moussa geht es weniger um Gestus und Ausdruck, sondern eher um Kommunikation und gesellschaftliche Wirkung und so pflegt er einen breiten und aktiven Kunstbegriff, mit Witz, mit einem guten Schuss Ironie – und mit viel Herz. So ging es bei der „Kunstklappe“ (2004 – 11, 2004-2007 gemeinsam mit Erwin Uhrmann) um gestohlene Kunst, die der Kunstdieb durch eine Klappe zurückgeben konnte um sein Gewissen zu erleichtern. Die Klappe befand sich anstelle eines Kellerfensters in der Wiener Innenstadt, übrigens nur zwei Straßen vom Wohnort des Diebes der „Saliera“ entfernt, der 200X ins Kunsthistorische Museum eingestiegen war und die Kulturnation Österreich in den Schockzustand versetzte. Immerhin eine Nachbildung der Saliera wurde in der Kunstklappe eingeworfen, unter anderem aber auch ein zwei aus einer Kirche entwendeter Barockengel und eine geschnitzte Krone eines Kronadlers, die in den 1960er Jahren von einer im Hofmobiliendepot ausgestellten Wiege des Kronprinzen Rudolf abgebrochen wurde. Die „Kunstklappe“ hat viel Aufmerksamkeit und Medienecho erregt und auch auf eine schelmische Art und Weise dazu beigetragen die gesellschaftliche Haltung gegenüber der Kunst sichtbar zu machen. Das Projekt stellte Fragen nach dem Wert der Kunst, ihrer Bewahrung und der Zirkulation von Objekten in den Mittelpunkt

Dem Projekt wurde auch eine Auszeichnung zuteil: NÖ (die Ehrenmedaille des Landesgendarmeriekommandos Niederösterreich), die niemals zuvor und danach für Kunst vergeben wurde, aber hier überzeugte offensichtlich der bewahrende Aspekt des Projekts.

Dass es Moussa um die Rolle der Kunst in der Gesellschaft geht, zeigt auch, dass er ebenfalls gemeinsam mit Erwin Uhrmann, zwischen 2007 und 2017 den Art Critic Award vergeben hat, um die Rolle der Kunstkritik für die Entwicklung der Kunst zu würdigen. (Ich möchte bitte auch einen Preis für dieses Porträt und das Interview!)

Letztlich erschließt sich auch Moussas Engagement für Kunst im öffentlichen Raum bzw. für Kunst am Bau, aus seinem Interesse an der Wechselwirkung von Kunst und Gesellschaft. Moussa kennt die Geschichte von Kunst am Bau in Wien und sieht ihre Funktion speziell darin, Zusammenhänge zu vermitteln und Hintergründe sichtbar zu machen, z.B. den Wert von Bauten und Infrastrukturen für unser Zusammenleben und Wohlergehen – auch von so scheinbar banalen und unsichtbaren Dingen wie einem Kanal von 1873 in seiner Arbeit „The Great Vibration“.

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