Sanierung und Dekarbonisierung II: Motivationen und Haltung

Sanierungen im bewohnten Bestand sind komplex, langwierig, oft konfliktreich – und trotzdem unumgänglich. Der größte Teil unserer Gebäude ist bereits gebaut und muss zukunftsfit gemacht werden, damit wir auch unseren nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Umgebung sichern.

In vielen unserer Forschungs- und Kooperationsprojekten beschäftigen wir uns mit der Frage, wie gelungene Sanierungs- und Dekarbonisierungsprozesse aussehen können – aus technischer, sozialer und organisatorischer Sicht.

In Gesprächen mit Architekt:innen, Bauträgern, Prozessbegleiter:innen und Bewohner:innen wollen wir dabei herausfinden: Was motiviert die Beteiligten, trotz aller Herausforderungen an der Wärmewende und allgemein an der Sanierung im Bestand zu arbeiten?

In diesem Blogbeitrag bündeln wir zentrale Aussagen zu diesem Thema aus Gesprächen mit:

  • Isabella Wall, Architektin bei Trimmel Wall Architekten, mit Fokus auf innovative Gründerzeitsanierungen in Wien,
  • Daniela S. Fiedler und Lukas Oberhuemer vom Team wohnbund consult, die mit sozialer Prozessbegleitung bundesweit Sanierungen und Dekarbonisierung begleiten,
  • Bewohner:innen von verschiedenen Sanierungsprojekten
  • sowie dem Team von realitylab, das die Interviews im Rahmen des Netzwerks „gemeinschaffen.com“ führt.

Sanierung und soziale Begleitung als fordernde Aufgabe mit Sinn

Isabella Wall sieht in der Sanierung eine sinnvolle, ortsbezogene Herausforderung, bei der jede Lösung konkret abgestimmt auf den jeweiligen Bestand entwickelt werden muss – gemeinsam mit der bereits vorhandenen Architektur, der geeigneten Technik, den Bewohner:innen und Nutzer:innen:

Auch Lukas Oberhuemer betont, dass Sanierungen – gerade im bewohnten Bestand – eine besondere soziale Dynamik entfalten:

„Das Schöne an der Sanierungsbegleitung ist, dass das Glück und das Unglück so nah beieinander liegen.“

Lukas Oberhuemer

Sanierung ist nicht nur bauliche Veränderung, sondern auch Veränderung in Beziehungen: zwischen Bewohner:innen, Eigentümer:innen, Planenden – und sich selbst. Es geht um Aushandlung, Anpassung, Konflikt, Gemeinschaft und im Idealfall um eine Demokratisierung der Gemeinschaft.

Lukas Oberhuemer beschreibt diesen Balanceakt mit Sinn so:

Motivation durch Wirkung und Dankbarkeit

Ob Grauwassernutzung, Tiefenbohrungen oder kühle Decken: Was motiviert, ist nicht unbedingt die neue Technik, sondern vor allem das fertige Ergebnis. Isabella Wall hat hier schon sehr besondere Momente u.a. mit einer Mieterin nach der erfolgreichen Sanierung erlebt:

Ähnliche gute Erfahrungen auf allen Seiten – von den Eigentümer:innen bis zu den Mieter:innen – haben auch wohnbund consult öfters gemacht. Zusätzlich sehr positiv sind meistens die Erlebnisse, wo durch soziale Begleitung Personen zusammengebracht werden, die sich sonst vielleicht nie in die Hausgemeinschaft eingebracht hätten. Diese Chance für die Aktivierung der Nachbarschaft hat auch Daniela S. Fiedler von wohnbund consult in positiver Erinnerung:

Im Gespräch mit Bewohner:innen von Gebäuden stellte sich oft heraus, dass besonders ältere Personen die anstehende Sanierung und Dekarbonisierung als immense Belastung wahrnehmen. Der Eingriff in den privaten Wohnbereich, notwendige Umbauten in der Wohnung und die Immissionen wie Lärm und Staub über mehrjährige Bauzeiten sind für Ältere manchmal so belastend, dass der Auszug aus der Wohnung überlegt wird. Andererseits freuen sich aber besonders jüngere Bewohner:innen auf die Verbesserung ihres Wohnumfelds, die Aufwertung des Gebäudes und die niedrigeren Betriebskosten.

Sehr häufig – das bestätigten auch die Gespräche mit der Architektin Isabella Wall und den Mitarbeiter:innen von wohnbund:consult – überwiegen nach einer erfolgreichen Sanierung sowohl bei den Älteren als auch bei den Jüngeren die positiven Gefühle und Rückmeldungen gegenüber den ursprünglichen Sorgen und Ängsten.

Dazu passend ist auch das Zitat von Gudrun Peller – langjährige Mitarbeiterin von realitylab – bezüglich ihrer Haltung:

Mich motiviert, wenn sich Nutzer.innen und Bewohner.innen durch eine offene und transparente Information und Kommunikation als Partner:innen im Sanierungs- und Dekarbonisierungsprozess wahrnehmen und wenn dadurch Ängste und Vorbehalte entkräftet werden können.

Gudrun Peller

Dies ist auch einer der Hauptantriebe für realitylab gemeinsam mit den Bewohner:innen an der Sanierung & Dekarbonisierung ihrer unmittelbaren Wohnumgebung zu arbeiten, um die Bestandsgebäude der Gegenwart zu erhalten und aufzuwerten, sodass sie fit für die Zukunft sind. Denn der weitaus größte Anteil unserer Gebäude ist bereits vorhanden als Bestand – die Anpassung an heutige und zukünftige Anforderungen ist der Schlüssel zu einer zukunftstauglichen Architektur.

Ausblick

Im nächsten Blogbeitrag beschäftigen wir uns mit einem zentralen Thema, das in allen Gesprächen mitschwingt: Herausforderungen & Gelingensfaktoren bei Sanierungen und Dekarbonisierungen
Wie geht man mit Konflikten um? Wo liegen strukturelle Hürden? Und was braucht es, damit Beteiligung gelingt?

Bleibt dran – wir freuen uns auf die Fortsetzung.

Teilen Sie auch gerne Ihre Erfahrungen mit Dekarbonisierung mit uns in den Kommentaren, per Privatnachricht, Mail oder im persönlichen Gespräch!

Wir sind offen für Anfragen und Austausch zu Themen und Projekten im Bereich der Bestandstransformation. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit.

Die Blogreihe entsteht im Rahmen unserer Forschungs- und Umsetzungsprojekte – u.a. HeatCOOP in Zusammenarbeit mit unseren Projektpartner:innen:

e7 energy innovation & engineering
Reenag Holding Gesellschaft m.b.H.
Gemeinnützige Siedlungs-Genossenschaft Altmannsdorf und Hetzendorf
Draxler + Dallhammer ZT GmbH
Treberspurg & Partner Architekten ZT GmbH

Gemeinsam möchten wir die Wärmewende gestalten – nachhaltig, lokal und zukunftssicher.

Vielen Dank an unsere Interviewpartner:innen:
Trimmel Wall Architekten: www.architekten.or.at
wohnbund.consult: wohnbund.at

Mehr zu unseren Projekten auf:
realitylab.at
Wärmewende.jetzt
gemeinschaffen.com

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