In dem dreijährigen Forschungsprojekt „Zinshaus X Baugruppe“, kurz „ZxB“, arbeitet realitlylab gemeinsam mit einem interdisziplinär aufgestellten Forschungsteam daran, zwei sich bisher fremde Gruppen näher zu bringen und dadurch neue Kooperationen am Wohnungsmarkt zu erschließen. Um die Bedürfnisse und Bedenken beider Zielgruppen – Zinshauseigentümer:innen und Baugruppeninteressierte – abzudecken, hat sich ein Konsortium zusammengefunden, welches Kompetenzen in Mediation, Interessensvertretung, Baugruppenentwicklung, Sanierung, Dekarbonisierung, Energieplanung, Gebäudeentwicklung, Parifizierung sowie Immobilienrecht und Finanzierung vorweist. Während Zinshauseigentümer:innen für realitylab derzeit noch ein eher unbekanntes Gegenüber darstellen, besteht zu Baugruppen eine tiefe Verwurzelung. So bringt realitylab neben einer Expertise in der Zusammenarbeit mit Baugruppen besonders die Innovations- und Prozessbegleitungskompetenzen in das Projekt ein. Zudem leitet realitylab, gemeinsam mit baukult, den co-kreativen Prozess des Forschungsprojektes und wird in weiterer Folge verantwortlich für das Vorantreiben der Demonstrationsprojekte sein. Bevor wir jedoch zu diesen kommen, noch einmal eine ausführlichere Einführung in die Thematik.
Wer in Wien lebt, oder schon einmal durch die engen Gassen Wiens geschlendert ist kennt sie, die eindrucksvollen Gründerzeithäuser. All jene dieser Häuser, deren Eigentumsstruktur nicht in einzelnen Eigentumswohnungen gegliedert ist, also noch nicht „parifiziert“ ist, werden auch Zinshäuser genannt. Zinshäuser stellen eine wichtige Ressource in Wien dar, da sie aufgrund der gedeckelten Miete gemäß des Mietrechtsgesetztes leistbaren Wohnraum sichern. Die Zahl der Zinshäuser nimmt jedoch in Wien stetig ab. Während 2007 noch 17.800 Wiener Zinshäuser existierten, sind es derzeit noch ca. 15.000. Auf dem Wohnungsmarkt gelten Zinshäuser als heiße Spekulationsobjekte. Durch das Aufkaufen (von Teilen) des Gebäudes, dem Parifizieren und letztlich dem Weiterverkaufen einzelner Eigentums-wohnungen, lassen sich oft große Gewinne generieren. Als Verlierer dieser Deals gehen meist die Altmieter:innen heraus. Durch den Verkauf und Eigentümer:innenwechsel, geht wertvoller leistbarer Wohnraum verloren und nicht selten verändert sich damit einhergehend auch die soziale Struktur des Hauses. Für viele Zinshausbesitzende scheint es jedoch keine Alternativen zum Verkauf und (Teil-)Parifizieren Ihrer Gebäude zu geben. Aufgrund der alten Bausubstanz und der niedrigen Sanierungsrate von Zinshäusern stehen Sie unter starkem Druck von Seiten der Stadt, als auch von Seiten Ihrer Mieter:innen, Ihr Zinshaus zu sanieren und klimafit zu machen. Für eine umfangreiche Sanierung fehlt es den meisten Zinshausbesitzenden jedoch an finanziellen Mitteln, Know-How, Zeit und Mut.
Parallel zu der sinkenden Anzahl an Zinshäusern und der stagnierenden Sanierungsrate dieser, schließen sich in Wien und in ganz Österreich immer mehr Menschen in Baugruppen zusammen, um ihren Traum des gemeinschaftlichen und selbstorganisierten Wohnens zu realisieren. Baugruppen beweisen nicht nur eine hohe Bereitschaft für ökologisch und sozial nachhaltige Formen des Zusammenlebens, sondern auch Kreativität und Engagement bei der finanziellen, rechtlichen und organisatorischen Verwirklichung ihrer Vision. Während Baugruppen derzeit ihren Platz überwiegend im Neubau finden, verfügen sie jedoch genau über jene Impulse, die vielen Zinshauseigentümer:innen derzeit, für eine ökologisch und sozial nachhaltigen Sanierung, fehlen.
Das Forschungsprojekt ZxB setzt nun an diesem Punkt an und möchte die Potenziale, die in der Verschränkung von Zinshaus und Baugruppe liegen, aufzeigen. Durch die Kooperation mit einer Baugruppe können Zinshauseigentümer:innen jenes fehlende Know-How, Geld und Engagement erschließen, das derzeit eine Sanierung auf klassischem Weg hindert. So bietet die Möglichkeit der kooperativen Weiterentwicklung eine nachhaltige Alternative zur Parifizierung, Verkauf oder Abwartung des Gebäudes. Neben neuen Formen der Sanierung von Zinshäusern werden durch die Zusammenführung von Zinshaus und Baugruppe auch die Potenziale, die der Bestand für gemeinwohlorientiertes Zusammenleben bietet, ergründet. Baugruppen sind bekannt dafür, sich über das Wohnen hinaus für ein ressourcenschonendes und gemeinwohlorientiertes Miteinander zu bemühen. Letztlich soll die Vernetzung von Baugruppen und Zinshäusern die Migration von Baugruppen in den Bestand fördern, nachhaltige Quartiersentwicklung anregen und langfristig gemeinschaftliche Dekabonisierungmaßnahmen von Zinshäusern entwickeln.
Der Output des Forschungsprojekts ZxB sind unter anderem zwei Demonstrationsprojekte, welche eine Grundlage für zukünftige ZxB-Projekte schaffen sollen. Hierfür haben sich schon erste Interessierte Zinshauseigentümer:innen gefunden, wobei die Auswahl der Häuser noch nicht abgeschlossen ist und das Team weiterhin auf der Suche nach Interessent:innen ist. In dieser herausfordernden Phase des Forschungsprojekts liegt das Ziel darin, das Vertrauen von Zinshauseigentümer:innen für eine gemeinsame Entwicklung ihres Gebäudes mit (zukünftigen) Bewohner:innen zu gewinnen und ihnen die Vorteile dieser Kooperation aufzuzeigen. Im Zusammenführen von Zinshäusern und Baugruppen werden die Grenzen zwischen Besitz und Miete sowie die Verteilung von Verantwortung hinterfragt und ggf. neu definiert. Damit die Verschränkung von etabliertem Eigentum und engagierten Nutzer:innen gelingt, braucht es angepasste Finanzierungs-, Organisations- und Rechtsmodelle, die zur Leistbarkeit und Sicherheit aller Beteiligten beitragen. Diese werden für die zwei Demonstrationsprojekte erarbeitet, welche bis zur Baueinreichung und dem Abschluss von internen rechtlichen sowie finanziellen Vereinbarungen begleitet werden. Abschließend strebt das Forschungsprojekt an, auf den Demonstrationsprojekten aufbauend skalierbare Umsetzungsmodelle zu entwickeln, die eine serielle Umsetzung einer kooperativen Sanierung von Zinshäusern ermöglichen.
Das ZxB Projekt finden Sie auch auf der Website der Smart Cities Initiative: https://smartcities.at/projects/zxb/
Für mehr Informationen melden Sie sich bei zxb@realitylab.at.